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Baugeschichte

Wie alle mittelalterlichen Kirchen ist auch St. Marien in Osnabrück nicht in einem Guss entstanden, sondern ein über die Jahrhunderte gewachsenes Gebäude. Und sie ist auch nicht die erste Marienkirche an dieser Stelle.

10. Jahrhundert
Die erste Marienkirche, die durch Ausgrabungen belegt werden konnte, stand in der 2. Hälfte des 10. Jh. Eine einschiffige Saalkirche mit halbrunder Apsis.

11. Jahrhundert
Die zweite Marienkirche folgte ungefähr 100 Jahre später auf den Fundamenten der ersten. Immer noch eine einschiffige Kirche mit halbrunder Apsis und einem 14 Meter hohem Turm im Westen, der noch heute die unteren Etagen des späteren, viel höheren Turmes bildet und rechts und links neben der Orgel mit seinen romanischen Fensteröffnungen zu erkennen ist.

12. Jahrhundert
Wiederum ca. 100 Jahre später wurde die einschiffige Marienkirche aus dem 11. Jh. durch zwei Seitenschiffe zur dreischiffigen Basilika erweitert - die also noch nicht die Höhe und auch noch nicht die Breite der heutigen Seitenschiffe hatten. Auch die Seitenschiffe wurden im Osten mit je einer Apsis abgeschlossen.

13. Jahrhundert
Im 13. Jh. begann der Umbau zu einer dreischiffigen gotischen Hallenkirche. Zunächst wurde der Turm um vier Geschosse erhöht, die Seitenschiffe auf die heutige Breite und Höhe erweitert und der Turm von den Seitenschiffen eingerahmt. Die Ostapsiden verschwinden zugunsten eines quadratischen Chors.

14. Jahrhundert
Im 14. Jahrhundert erhält die Marienkirche dann noch ihren basilikalen Chorumgang und die Sakristei in der heutigen Form.

Ab 1986 wurde die Marienkirche umfassend restauriert, nachdem ein faustgroßer Gesteinsbrocken im südlichen Seitenschiff aus einem Schlussstein gefallen war, und daraufhin alle Sandsteinelemente der Kirche auf Beschädigungen untersucht wurden. Während der Restaurierungsarbeiten wurde die Marienkirche geschlossen und erst 1989 wieder feierlich eröffnet.

 

Die Ausstattung

Im Innenraum konnten über die Jahrhunderte einige Ausstattungsstücke erhalten werden, obwohl es dort im 19. Jh. und während des 2. Weltkriegs gebrannt hatte.

Triumphkreuz

 

Triumphkreuz
Zu den ältesten Ausstattungsstücken zählt das Triumphkreuz (Ende 13. Jh.); teilweise später ergänzt mit den vier Evangelisten-Symbolen an den Kreuzenden.Jeder Betrachter kann erkennen, dass man so nicht am Kreuz hängt - nicht mit ausgebreiteten, fast waagerechten Armen. Triumphkreuze zeigen zwar den Gekreuzigten, denken jedoch immer schon Ostern, also die Auferstehung mit.

   

Hauptaltar

 

Hauptaltar
Heute kann man deutlich erkennen, dass der Hochaltar ein dreiteiliges Kunstwerk aus drei Epochen ist: Der gemauerte Altarblock mit Altarplatte trägt die gleichen Steinmetzzeichen wie das Langhaus und wurde mit dem Bau der gotischen Marienkirche errichtet. Der reich geschnitzte Hauptaltar wurde in Antwerpen um 1510 gearbeitet. Die Figuren tragen modische Tracht und fallen auf durch reiche Gestik und Mimik. Mit den bemalten Flügeln erzählt er die Geschichte Jesu bis zu seiner Himmelfahrt und die Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten. Solche Schnitzaltäre aus Antwerpen waren im 16. Jh. in ganz Nordeuropa verbreitet.
Bis zum Brand der Kirche im zweiten Weltkrieg befand sich zwischen Altarplatte und Schnitzaltar eine bemalte Predella. Die verbrannte Predella wurde zunächst in den 50er Jahren durch einen schlichten Holzunterbau und 1999 mit der neuen Arbeit von Heinz Heiber ersetzt. Zentrales Motiv ist der einen Menschen „tragende Christus“.

   

Abendmahlstisch

 

Der Abendmahlstisch
1995 entstand im Hauptschiff der „Abendmahlstisch“. Die runde Form beschreibt eher die evangelische Gemeinde beim Abendmahl als das Vortreten vor dem Hauptaltar in eine Reihe, wie es bis dahin üblich war. Die Bronzefigur zeigt aus der Tiefe strebende Hände und vorn Jesus mit einer einladenden Geste: „Komment her zu mir…“. Weitere Werke von Heinz Heiber in der Marienkirche sind die Kanzel (1964), der Kanzeldeckel (1989) und die Türgriffe (1997).

   

Marienfigur

 

Maria auf der Mondsichel
Auch sie stammt noch aus der „katholischen Zeit“ der Marienkirche (Einführung der Reformation 1543) und wurde nach der Reformation zwar an eine „Seite“ gehängt, doch nie aus der Kirche entfernt. Die Reformation ging in Osnabrück nicht mit einem Bildersturm einher, sondern war ein langer Prozess. Erst nach dem 30jahrigen Krieg ließ sich exakt beschreiben was nun evangelisch und was katholisch war.
Die Marienfigur wurde um 1520 in der Werkstatt des „Meisters von Osnabrück“ angefertigt. Wer sich hinter diesem „Meister“ verbirgt ist uns namentlich nicht überliefert. Der Künstler bleibt anonym und tritt hinter seinem Werk zurück.

   

Epitaphien

 

Epitaphien
Im Chorumgang ist der Boden bedeckt mit Grabplatten aus der frühen Neuzeit. Ursprünglich waren sie in der Kirche verstreut, wurden dann aber in die Gänge verlegt und nach der Renovierung in den 80er Jahren im Chorumgang zusammen „gestellt“. Die Epitaphien an den Wänden des Chorumgangs stammen ebenfalls aus der frühen Neuzeit und erinnern an Osnabrücker, die es sich leisten konnten, mehr als nur eine Grabstätte in der Kirche zu kaufen und sich so in Erinnerung zu halten. Doch sie sind auch Ausdruck jener Hoffnung aller Menschen in früheren Jahrhunderten, sich nach dem Tode in der Nähe Jesus Christus zu befinden.

   

Kreuzigungsgruppe

 

Romanische Kreuzigungsgruppe aus der Mitte des 13. Jh.
Zu den Kostbarkeiten der Sankt Marienkirche gehört die Kreuzigungsgruppe im Nordwesten, der Taufkapelle. Sie gibt sich klein und bescheiden, gehört aber zu den künstlerisch wertvollen Ausstattungsstücken; das Kreuz mit Jesus und daneben die vom Kreuz abgewandten Marien und Johannes. Betrachtet man dazu noch den Gesichtsausdruck von Johannes genauer - eher froh als betrübt - so scheinen beide gar nicht zur Thematik des Karfreitag zu passen. Der Tod Jesu am Kreuz - das wussten nach Meinung des Künstlers Johannes und Maria bereits - ist nicht das Ende, sondern der Beginn von etwas Neuem, das dann Wirklichkeit wurde durch die Auferstehung Jesu an Ostern.

   

Taufstein

 

Der Taufstein
Der Taufstein datiert auf das Jahr 1560. Er wurde vom Münsteraner Johann Brabanter aus Sandstein gearbeitet. Die Themen der Reliefdarstellungen sind Beschneidung und Taufe Christi, Segnung der Kinder und Auferstehung Christi. Sie scheinen willkürlich zusammengestellt, sind aber gerade in dieser Auswahl von hoher theologischer Aussagekraft.

   

Kugelleuchter

 

Kugelleuchter
Es ist viel mehr als nur ein Kugelleuchter: Jeder kann ihn als Weltkugel identifizieren und sein Licht mitten in die Welt stellen, hier ein Gebet sprechen, für sich außerhalb der Gottesdienste Andacht halten, Gott um etwas bitten oder danken und sich dennoch „nicht als der Nabel der Welt“ begreifen, sondern als einen Teil davon - also in Gesellschaft mit jenen die ebenfalls Danken und Bitten, aber vielleicht um weit weniger, nämlich ganz existentiell um das „tägliche Brot“. Daher ist der Kauf einer Kerze zugunsten der Aktion „Brot für die Welt“.

   

Schreiter Fenster

 

Die Fenster
In der Marienkirche erzählte kein Fenster eine Geschichte, wie es sonst in Kirchen üblich ist. Wenigstens bis 1992 als das „moderne“ Fenster von Johannes Schreiter eingefügt wurde. Es ist für den Betrachter zunächst ein Rätsel und auch der Hinweis im Maßwerk auf das Johannes-Evangelium Kapitel 3, Vers 17 hilft zunächst nicht viel weiter beim Versuch der Entschlüsselung. Ein erster Ansatz findet sich in den Farben, angelehnt an die gotische Farbsymbolik, dann im Weltbild des Mittelalters als man Gott noch „oben“ im Himmel wähnte, in den Formen wie zum Beispiel des Quadrats, das oben und unten ist. Und schließlich ist da noch ein roter Klecks - und rot ist in der gotischen Farbsymbolik die Farbe des Heils. Das Heil kommt zu den Menschen in die „graue“ Welt und es wird so hell, wie oben im Himmel.
Dieses Fenster ist erklärungsbedürftig - und weil das Rätsel von keinem Besucher allein gelöst werden kann, ist es gleichzeitig ein Symbol der Gemeinschaft - denn seit dieses Fenster die Kirche schmückt, reden „wildfremde“ Menschen miteinander und suchen gemeinsam einen Weg zum Schlüssel seiner Geschichte.

    Renate Frankenberg